Seit mehr als einem Jahr finden in vielen deutschen Städten regelmäßig Demonstrationen statt, die sich selbst als „pro-palästinensisch“ bezeichnen. Was auf den ersten Blick als politisches Engagement erscheinen mag, zeigt bei näherem Hinsehen ein alarmierendes Bild: Immer wieder werden auf diesen Versammlungen antisemitische Parolen gerufen, israelbezogener Hass verbreitet, Jüdinnen und Juden bedroht – und zunehmend auch Journalist*innen angegriffen.
Diese Demonstrationen sind längst nicht mehr nur Orte der politischen Meinungsäußerung. Vielmehr entwickeln sie sich zu Brennpunkten des offenen Antisemitismus, der Gewalt gegen jüdische Einrichtungen und der systematischen Behinderung journalistischer Arbeit. Was ursprünglich als Solidarität mit Palästina deklariert wurde, ist in vielen Fällen zu einer Bühne für Judenhass, Hetze und radikale Ideologie verkommen.
Die immer gleichen Szenen – Woche für Woche
Man könnte fast schon eine Vorlage schreiben, so regelmäßig wiederholt sich das Geschehen: Eine „Pro-Palästina“-Demo wird angemeldet – meist von Personen oder Gruppen, die keinerlei Distanz zur islamistischen Hamas zeigen, im Gegenteil: Ihre Symbole, Flaggen und Parolen werden offen mitgetragen. In der Folge: Parolen wie „From the river to the sea“ oder „Intifada bis zum Sieg“, eine klare Anspielung auf die Vernichtung Israels. Bilder von Terroropfern werden verhöhnt, Shoa-relativierende Slogans geschrien.
Und mittendrin: Journalistinnen, die versuchen, das Geschehen zu dokumentieren – und immer wieder zum Ziel werden. Bedrängt, beschimpft, bedroht, körperlich attackiert. Kameras werden weggeschlagen, Presseausweise ignoriert, teilweise wird offen dazu aufgerufen, Pressevertreterinnen anzugreifen. Die Berichterstattung soll offenbar nicht stattfinden. Zu groß ist offenbar die Angst, dass die hässliche Wahrheit dieser Demonstrationen ans Licht kommt.
Ein Jahr der Eskalation: Seit dem 7. Oktober 2023
Der Wendepunkt war der 7. Oktober 2023 – der Tag, an dem die Hamas Israel brutal überfiel, Hunderte Zivilisten tötete, vergewaltigte, entführte. Die Bilder dieses Massakers gingen um die Welt. Doch was folgte, war eine groteske Verdrehung der Realität: In Berlin, Essen, Duisburg, Hamburg oder Frankfurt jubelten Demonstrierende offen über die Angriffe. Es wurden Süßigkeiten verteilt, Autokorsos gefeiert, Parolen skandiert, die die Täter glorifizierten.
Seitdem ist nicht nur die Zahl der antisemitischen Vorfälle in Deutschland explodiert – auch die Gewalt auf der Straße hat eine neue Qualität erreicht. Jüdische Einrichtungen müssen verstärkt geschützt werden. Schulen mit jüdischen Schüler*innen berichten von wachsender Angst. Jüdinnen und Juden trauen sich nicht mehr, öffentlich eine Kippa zu tragen oder hebräisch zu sprechen.
Und mittendrin: Eine Gesellschaft, die oft nur zögerlich reagiert.
Wer berichtet, wird zur Zielscheibe
Die Angriffe auf Journalistinnen sind dabei kein Zufall, sondern Teil einer gezielten Strategie. Wer dokumentiert, entlarvt. Wer berichtet, zeigt, wie tief der Antisemitismus in Teilen dieser Szene verankert ist. Und das stört – nicht nur die Teilnehmenden, sondern zunehmend auch einige Organisatorinnen, die mit Verschwörungserzählungen, Medienhetze und „Lügenpresse“-Parolen arbeiten.
Viele Reporter*innen berichten davon, dass sie sich auf diese Einsätze gezielt vorbereiten müssen: mit Security, mit Notfallplänen, mit der ständigen Angst, dass ein falscher Moment zur Eskalation führen kann. Die Grenze zwischen Aktivismus und Einschüchterung ist längst überschritten. Und doch gehen sie weiter hin – weil sie wissen, wie wichtig diese Dokumentation ist.

Der Staat in der Zuschauerrolle?
Doch während sich Hass und Gewalt auf der Straße entladen, wirkt der Staat oft überfordert. Viel zu oft bleiben Konsequenzen aus. Veranstalter solcher Demos betonen ihre Friedlichkeit, obwohl auf den Aufnahmen antisemitische Slogans gerufen werden. Es wird weggeschaut, relativiert, juristisch gezögert. Und währenddessen wächst das Gefühl, dass Jüdinnen und Juden in diesem Land nicht sicher sind.
Auch viele Medienhäuser gehen nicht mehr zu jeder Demo. Aus Angst. Aus Sicherheitsgründen. Oder aus Frustration, weil sie ohnehin immer wieder das Gleiche dokumentieren. Doch das darf nicht der Maßstab werden. Wenn Antisemitismus zur Normalität wird, wenn Pressearbeit eingeschränkt und gefährlich wird, wenn jüdisches Leben bedroht wird – dann ist Schweigen keine Option.
Was lernen wir aus einem Jahr Hass?
Nach mehr als zwölf Monaten müsste eine gesellschaftliche Debatte geführt werden, die über symbolische Statements hinausgeht. Es geht nicht um „Meinungsfreiheit“ für Hamas-Fans. Es geht nicht um „Solidarität mit Palästina“, wenn damit das Existenzrecht Israels geleugnet und jüdisches Leben angegriffen wird. Wer wirklich für Frieden eintritt, muss sich klar vom Terror, vom Hass, vom Antisemitismus distanzieren.
Der Staat muss handeln. Demonstrationen, auf denen offen zur Gewalt aufgerufen wird, dürfen nicht länger toleriert werden. Polizei und Justiz müssen konsequenter durchgreifen, Veranstalter zur Verantwortung gezogen werden. Jüdisches Leben in Deutschland muss geschützt werden – mit allen Mitteln des Rechtsstaats.
Und auch die Medienlandschaft muss sich ihrer Rolle bewusst sein: Gerade jetzt ist es notwendig, hinzuschauen, zu berichten, nicht lockerzulassen. Denn eine Demokratie lebt von freier Berichterstattung – und vom Schutz ihrer Minderheiten.
Fazit
Die vergangenen Monate haben gezeigt: Antisemitismus ist nicht am Rand der Gesellschaft – er steht mitten auf deutschen Straßen. Unter dem Deckmantel der „Solidarität“ verbreiten selbsternannte Aktivist*innen Hass, Gewalt und Hetze – gegen Jüdinnen und Juden, gegen Israel, gegen die Presse.
Es liegt an uns allen, dem entschieden entgegenzutreten. Schweigen war noch nie ein Schutzschild für die Demokratie – und wird es auch in Zukunft nicht sein.