Auf Demonstrationen gegen Krieg, Kapitalismus oder „Kolonialismus“ sieht man sie regelmäßig: die Kufiya – das schwarz-weiß gemusterte Tuch, das sich zum Symbol der Solidarität mit den sogenannten Palästinensern entwickelt hat. Für viele linke Aktivisten steht es für Widerstand gegen Unterdrückung, für die Unterstützung eines „befreiten Palästinas“, oft in bewusster Gegnerschaft zum Staat Israel.

Doch kaum jemand, der die Kufiya heute trägt, scheint sich mit ihrer historischen Aufladung und politischen Herkunft ernsthaft auseinanderzusetzen. Denn das Tuch ist nicht nur ein Ausdruck kultureller Identität – es ist ein Symbol, das eng mit einer Ideologie verknüpft ist, die von Antisemitismus, Islamismus und einer aktiven Kollaboration mit dem Nationalsozialismus geprägt war. Die politische Ikonographie der Kufiya geht zurück auf Mohammed Amin al-Husseini, den Großmufti von Jerusalem – NS-Verbündeter, SS-Mitarbeiter und geistiger Mentor von Yassir Arafat, dem langjährigen Führer der PLO.

Vom Beduinentuch zum Zeichen einer Ideologie

Die Kufiya war ursprünglich ein regional getragenes Kleidungsstück, besonders unter Bauern und Beduinen auf der arabischen Halbinsel, in Transjordanien und Mesopotamien. Sie hatte keinerlei politische Bedeutung.

Symbol Bild: von Dimitris Vetsikas 

Diese änderte sich erst im Kontext des arabischen Aufstands gegen die Briten in den 1930er-Jahren. Al-Husseini ließ die Kufiya zum „revolutionären Kleidungsstück“ der arabischen Bevölkerung stilisieren. Von ihm wurde sie bewusst als einheitliches Erkennungszeichen im „Kampf gegen Juden und Zionisten“ inszeniert. Der sogenannte palästinensische Nationalismus war von Anfang an keine Befreiungsbewegung im klassischen Sinne, sondern in seiner ideologischen Wurzel antisemitisch und auf die Verhinderung jüdischer Selbstbestimmung ausgerichtet.

Al-Husseini: Der Großmufti als NS-Kollaborateur

Mohammed Amin al-Husseini floh 1941 nach Nazi-Deutschland, wo er vom NS-Regime mit offenen Armen empfangen wurde. Er traf Adolf Hitler persönlich, wirkte bei antisemitischer Propaganda im arabischen Raum mit und beteiligte sich aktiv an der Mobilisierung muslimischer Kämpfer für die SS.

Amin al-Husseini, der Großmufti von Jerusalem, bei einem Treffen mit Adolf Hitler am 28. November 1941 in Berlin. Anwesend war auch der Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop. Das Gespräch wurde als „herzliche und für die Zukunft der arabischen Länder bedeutungsvolle Unterredung“ beschrieben.
Quelle: Bundesarchiv, Bild 146-1987-004-09A / Heinrich Hoffmann / CC-BY-SA 3.0

Sein wohl bekanntester Beitrag zur NS-Militärmaschinerie war die Mitwirkung bei der Gründung der 13. Waffen-Gebirgs-Division der SS „Handschar“, bestehend aus bosnischen Muslimen. Diese Division war berüchtigt für Massaker an Juden, Serben und Roma in Südosteuropa.

Der Großmufti von Jerusalem, Amin al-Husseini (Mitte), mit SS-Brigadeführer Karl-Gustav Sauberzweig (links) beim Abschreiten bosnisch-muslimischer Freiwilliger der Waffen-SS-Division „Handschar“ in Bosnien, November 1943.
Quelle: Bundesarchiv, Bild 146-1978-070-04A / Mielke / CC-BY-SA 3.0

Al-Husseini nutzte Radiosendungen des „Großdeutschen Rundfunks“, um arabische Hörer zur Unterstützung der NS-Ziele aufzurufen. In seinen Reden verknüpfte er islamische Rhetorik mit antisemitischer Hetze und lobte den Holocaust als notwendig und gerecht. Seine Rolle ging weit über bloße Sympathien hinaus – sie war aktiv, ideologisch fundiert und tief verankert.

Amin al-Husseini, der Großmufti von Jerusalem, im Gespräch mit Heinrich Himmler, Reichsführer-SS, im Jahr 1943. Das Treffen fand im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen nationalsozialistischen Stellen und dem Großmufti während des Zweiten Weltkriegs statt.
Quelle: Bundesarchiv, Bild 101III-Alber-164-18A / Alber, Kurt / CC-BY-SA 3.0

Yassir Arafat – Der Ziehsohn des Muftis

Diese Traditionslinie brach nicht 1945 ab. Der spätere PLO-Chef Yassir Arafat, der die Kufiya zum globalen Markenzeichen der sogenannten palästinensischen Sache machte, war nicht nur politisch, sondern familiär mit al-Husseini verbunden. Er bezeichnete ihn öffentlich als seinen „geistigen Vater“ – und übernahm viele seiner ideologischen Grundlagen.

PLO-Führer Jassir Arafat bei seinem historischen Besuch in der Residenz des israelischen Präsidenten Ezer Weizman in Caesarea, Israel, 1996. Es war Arafats erster offizieller Besuch in Israel.
Quelle: Gideon Markowiz / Israel Press and Photo Agency (I.P.P.A.) / Dan Hadani Collection, Israelische Nationalbibliothek / CC BY 4.0

Beide lehnten eine friedliche Koexistenz mit Juden im historischen Palästina kategorisch ab. Beide sahen in Zionismus nicht nur ein politisches Projekt, sondern eine „jüdische Verschwörung“, die es zu bekämpfen galt – mit allen Mitteln. Die antisemitische Komponente zog sich wie ein roter Faden durch das Denken beider Figuren, und diese Einstellung prägte maßgeblich den Kurs der PLO und später auch der Hamas.

Die Kufiya wurde so endgültig zum Symbol eines ideologisch geprägten Kampfes, der nicht gegen Kolonialismus im herkömmlichen Sinne gerichtet war – sondern gegen die Existenz jüdischer Selbstbestimmung überhaupt.

Linker Antifaschismus – mit blinden Flecken

Dass heute gerade linke Bewegungen ein Symbol wie die Kufiya als „antifaschistisch“ oder „antikolonialistisch“ hochhalten, ist ein historischer Widerspruch. Denn ein großer Teil des sogenannten palästinensischen Widerstands speist sich nicht aus einem humanistischen Universalismus, sondern aus einem autoritären, antisemitischen und antiwestlichen Weltbild.

Bei der Gedenkdemonstration zum fünften Jahrestag des Anschlags von Hanau am 19. Februar 2025 in Berlin: Ein Transparent mit der Aufschrift „Antifa means Free Palestine“, gestaltet im Stil eines Kufiya-Tuches. Daneben eine vermummte Person mit Kufiya.
Ort und Datum: Berlin, 19.02.2025
Anlass: 5 Jahre Hanau – Gedenkdemonstration Bild: Democratia Berlin

Die Linke, die sich sonst kritisch mit Symbolik auseinandersetzt, ignoriert oder verharmlost die Geschichte der Kufiya und ihrer geistigen Väter. Der angebliche Kolonialismus Israels wird mit einer Terminologie bekämpft, die auf postkolonialen Theorien basiert – aber deren historischer Kontext hier schlicht nicht greift. Israel ist kein klassisches Kolonialprojekt – es ist ein souveräner Nationalstaat, hervorgegangen aus der Flucht und Vernichtung europäischer Juden. Dass ausgerechnet ein Symbol, das von einem NS-Verbündeten politisiert wurde, heute von „angeblichen Antifa-Gruppen“ getragen wird, ist mehr als nur Ironie. Es ist Geschichtsverfälschung.

Schlussfolgerung

Die Kufiya ist nicht einfach ein Tuch. Sie ist ein Symbol, das durch die Hände eines SS-Verbündeten ging, in den Händen eines Holocaust-Unterstützers ideologisch aufgeladen wurde, und von seinem politischen Ziehsohn – Arafat – weiterverbreitet wurde. Wer sie heute unreflektiert trägt, ohne sich dieser Geschichte bewusst zu sein, verfällt einem gefährlichen Symbolmythos.

Linke Bewegungen, die sich glaubwürdig gegen Antisemitismus, Faschismus und Rassismus positionieren wollen, müssen auch ihre eigenen Symbole kritisch hinterfragen. Die Geschichte der Kufiya, des Großmuftis und seiner Nachfolger ist ein Prüfstein für den moralischen Anspruch linker Politik

Symbolbild © Democratia Berlin 2025

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