Die Nationale Polizei der Ukraine (NPU) hat Namen und persönlichen Daten von fünf mutmaßlichen Kriegsverbrechern veröffentlicht. Es handelt sich um Angehörige des 234. Luftlanderegiments der 76. Division der russischen Armee, die während der Besatzung von Butscha im Jahr 2022 17 ukrainische Zivilisten hingerichtet haben sollen.

Auf der Website der Nationalpolizei der Ukraine heißt es:

„Während der Besetzung der Stadt drangen russische Soldaten in Höfe ein, trieben Menschen auf die Straße und erschossen sie direkt vor ihren Häusern. Einige der Opfer versuchten, ihren Nachbarn zu helfen, andere kamen nach den Beschüssen lediglich aus den Kellern. Einige wurden vor ihrer Hinrichtung gefoltert, und die Besatzer versuchten, einen Teil der Leichen zu verbrennen, um ihre Verbrechen zu vertuschen.“

Laut Ermittlungsbehörden konnte anhand von Zeugenaussagen, ballistischen Analysen sowie Foto- und Videomaterial das vollständige Tatgeschehen rekonstruiert und die Täter eindeutig identifiziert werden.
Es handelt sich um folgende Soldaten des 234. Luftlanderegiments der 76. Luftlandedivision der Streitkräfte der Russischen Föderation:

  • Leutnant Kim Yuriy Vladimirovich, war Kommandeur zur Zeit der Besatzung.
Leutnant Kim Yuriy Vladimirovich,
Quelle: GUR
  • Oberfeldwebel Pawlow Anatolij Walerjewitsch, war als Kommandant aktiv.
Pawlow Anatolij Walerjewitsch,
Quelle: GUR
  • Gefreiter Meshalkin Evgeny Evgenievich, ist als Schütze tätig gewesen.
Meshalkin Evgeny Evgenievich, Quelle: GUR
  • Oberfeldwebel Shamil Farhadovich Gasanguliev, war Zugführer und
Shamil Farhadovich Gasanguliev,
Quelle: GUR
  • Obergefreiter Pawel Wassiljewitsch Kretinin, stellvertretender Zugführer seinerzeit.
Pawel Wassiljewitsch Kretinin,
Quelle: GUR

Der GUR betonte, dass jedes gegen das ukrainische Volk begangene Kriegsverbrechen gerecht bestraft wird.

Ein Teil der Unterlagen wurde laut NPU bereits an das Gericht übergeben, der Rest befindet sich in der Endphase der Ermittlungen. Die sorgfältigen Ermittlungen und Untersuchungen der NPU erfolgten unter der Verfahrensleitung der Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine sowie mit Unterstützung des Militärnachrichtendienstes (GUR).

Die fünf genannten Soldaten werden beschuldigt, an Morden, Folterungen und der Vertuschung von Kriegsverbrechen durch das Verbrennen von Leichen beteiligt gewesen zu sein. Zudem sollen sie während der russischen Besetzung von Butscha Zivilisten bedroht und eingeschüchtert haben.

Die GUR veröffentlichte auf ihrer Internetseite neben den Bildern, Namen und militärischen Funktionen der Verdächtigen auch Angaben zu deren Kompaniezugehörigkeit, Geburtsdatum, Geburtsort sowie aktuellem Wohnort. Aufgrund des hohen Interesses der Ukraine, die mutmaßlichen Täter zu ergreifen, gilt diese Form der Veröffentlichung nicht als rechtswidrig. Es besteht ein erhebliches öffentliches Interesse daran, die Verdächtigen festzunehmen und eine rechtskräftige Anklage zu ermöglichen.
Die fünf Beschuldigten sollen sich durch ihr Handeln an Kriegsverbrechen beteiligt haben, welche Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen.

Gegen die fünf Angeklagten wurde Anklage gemäß Art. 438, Abs. 2, des StGB der Ukraine erhoben. Dieses Gesetz dient der nationalen Gerichtsbarkeit und ahndet Straftaten von Kriegsverbrechen, wie der vorsätzlichen Tötung von Zivilisten. Das Gesetz sieht hierfür eine lebenslange Freiheitsstrafe vor.

„Russland hat im UN-Menschenrechtsrat keinen Platz.“

Drei Tage nach dem genozidalen und völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine marschierte die russische Armee am 27. Februar 2022 in Butscha ein. Innerhalb von 33 Tagen verübten die Invasoren im Bezirk Butscha über 9.000 Kriegsverbrechen und ermordeten mehr als 1.400 Zivilisten – darunter 37 Kinder.

Dmytro Kuleba, betonte kurz nach der Befreiung von Butscha auf X am 10.04.2022:

„dass die Ukraine alle verfügbaren UN-Mechanismen nutzen wird, um Beweise zu sammeln und russische Kriegsverbrecher zur Rechenschaft zu ziehen. Russland hat im UN-Menschrechtsrat keinen Platz.“

Nachdem das Butscha-Massaker öffentlich wurde und angesichts der eindeutigen Beweise für die russische Kriegsführung in Wort und Taten, sind mindestens vier Tatbestände des Artikels II der UN-Völkermordkonvention erfüllt.

  • Der Angriffskrieg richtet sich – in Worten wie in Taten – gegen das gesamte ukrainische Volk. Ziel ist die Auslöschung seiner Kultur und Sprache sowie die gezielte Ermordung von Zivilist*innen.
  • Zudem dienen die Angriffe auf kritische Infrastrukturen, Lebensmittellager und insbesondere auf zivile Wohngebiete der physischen Zerstörung und Vertreibung der ukrainischen Bevölkerung.
  • Hinzu kommen schwerste körperliche und seelische Verbrechen: Russische Soldaten wurden mit Orden ausgezeichnet, obwohl sie nachweislich Vergewaltigung, Folter und Umerziehung als Kriegswaffen eingesetzt haben.
  • Eines der gravierendsten Kriegsverbrechen ist die gewaltsame Verschleppung ukrainischer Kinder, welche den vorherigen Punkt mit einbezieht. Die genauen Zahlen, der verschleppten Kinder und auch Erwachsen nach Russland schwanken. Doch wurden mehrere Dutzend Kinder öffentlich über russischen Medien präsentiert – welche damit das Verbrechen selbst belegten. Des Weiteren wurde belegt, dass die Kinder an Adoptionsinteressierte vermittelt wurden und die Kinder deren Namen übertragen bekamen, sodass hier die Taten verschleiert werden und Namenslisten aus der Ukraine nicht mehr greifen können.

Nach jüngster Rechtsauffassung des Obersten Gerichtshof der Ukraine, umfassen alle oben genannten Strafdelikte des Genozids gleichermaßen Art. 438 StGB der Ukraine. So führt der Oberste Gerichtshof in seiner Internetpräsenz aus:

„Die Große Kammer des Obersten Gerichtshofs stellte fest, dass Handlungen, die im Kontext eines bewaffneten Konflikts begangen werden und unter die Verbote des humanitären Völkerrechts fallen, die eine schwere Verletzung desselben darstellen, ausschließlich unter Artikel 438 des Strafgesetzbuches der Ukraine fallen und keiner weiteren rechtlichen Prüfung nach anderen Artikeln dieses Gesetzbuches bedürfen.“

Russland führt demnach gemäß der UN-Völkermordkonvention offiziell einen Genozid gegen das ukrainische Volk. Die Aufarbeitung der begangenen Kriegsverbrechen gegen die Menschlichkeit wird vermutlich Jahrzehnte dauern. Viele Täterinnen und Täter werden diese Zeit nicht überleben oder – aufgrund von Verschleierung, fehlenden Unterlagen oder mangelnder Gerichtsbarkeit – niemals zur Rechenschaft gezogen werden.

Dennoch sollte es höchste internationale Priorität und eine enge Zusammenarbeit der Staatengemeinschaft sein, die Verantwortlichen vor die Gerichte der Welt zu stellen. Dies sind Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg und aus dem Umgang mit ehemaligen Nationalsozialisten durch sogenannte „Persilscheine“. Wenn das „Nie wieder“ kein bloßes Lippenbekenntnis bleiben soll, muss es als Verpflichtung verstanden werden.

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